Vier Jahrzehnte Eremiten-Presse

Chronik von Martin Ebbertz
Bibliographie von Friedolin Reske

Ebbertz-Reske ist Antiquaren und Büchersammlern ein Begriff. In dem opulent ausgestatteten Buch geht es um einen Verlag, der trotz seiner Winzigkeit in die Geschichte der deutschen Literatur eingegangen ist.

Die anschaulich geschriebene Chronik ist eine überraschend unterhaltsame Lektüre – sie und die Bibliographie lassen nichts zu wünschen übrig (Börsenblatt für den deutschen Buchhandel).

Eine Erfolgsgeschichte, wenn auch keine materielle …

Um die Ursprünge der Eremiten-Presse ranken sich seit jeher die Legenden. Victor Otto Stomps hatte schon vor dem Zweiten Weltkrieg in Berlin seine Rabenpresse gegründet. Er war ein Verleger aus Leidenschaft, dem jegliches kaufmännische Talent abging. Seine Eremiten-Presse, 1949 in Frankfurt gegründet, überlebte entgegen aller verlegerischen Vernunft Jahr um Jahr.

V.O. Stomps‘ Kapital war seine Besessenheit für Literatur. Sie interessierte ihn am Ursprung, dort, wo Neues entstand. Am liebsten hätte er nur Erstlinge gedruckt.

Weit über zwanzig Jahre erfüllte die Eremiten-Presse (Schreibweise anfangs: Eremitenpresse) alle Charakteristika einer „Presse“, denn in der eigenen Werkstatt wurde alles von Hand gesetzt, gedruckt und gebunden, die literarische und künstlerische Auswahl und deren handwerkliche Ausführung lag in einer Hand. Oft mußten die Autoren selbst mithelfen bei der Entstehung ihrer Werke, wenn die zwei Hände des Verlegers nicht ausreichten.

Seit 1966, als Dieter Hülsmanns und Friedolin Reske in den Verlag eintraten und ihn ein Jahr später ganz übernahmen, ist es ein ?Verlag zu vier Händen? geworden, mit dem sie 1972 nach Düsseldorf umzogen und ihn in einem alten Haus aus Familienbesitz ansiedelten. In den Verlagsräumen stehen zwar noch die Schränke mit zahllosen Schubladen, in denen die alten Bleilettern lagern, eine Andruckpresse und eine hundertjährige Papierschneidemaschine, aber die Zeit des Selber-Druckens ist vorbei. Allerdings machen Friedolin Reske und Jens Olsson sehr viel Arbeit selbst: den Satz, das Layout, die Bogenmontage und auch Verwaltung, Versand und Öffentlichkeitsarbeit.

Die Eremiten-Presse ist nicht nur wegen der ungewöhnlichen Gestaltung ihrer meist von Künstlern illustrierten Bücher berühmt, sondern vor allem auch für die Autorenpflege: Wolfgang Bächler, Hans Bender, Ernst Meister sind wichtige Autoren der ersten Nachkriegsjahre. 1957 erschien das erste Buch von Günter Bruno Fuchs mit Holzschnitten des Autors, im Jahr darauf begann die Zusammenarbeit mit der anderen Doppelbegabung: Christoph Meckel. 1958 erschien auch das erste Buch von Gabriele Wohmann in der Eremiten-Presse, noch unter ihrem Mädchennamen Gabriele Guyot. Bis heute zählt die Bibliographie der Eremiten-Presse über dreißig Wohmann-Titel, Erzählungen, Hörspiele, Gedichte und Kalendertexte.

Eine der wichtigen Eremiten-Autorin wurde auch Christa Reinig, deren erster Gedichtband Die Steine von Finisterre 1960 erschien. Obwohl die Autorin Angebote von Großverlagen hatte, blieb sie der Eremiten-Presse bis heute treu: Fast alle ihre Werke sind hier erschienen.

Ganz unerwartete Impulse löste die Zusammenarbeit mit dem deutsch-persischen Dichter Cyrus Atabay aus, dessen Gedichtband Die Leidenschaft der Neugierde 1981 bei der Eremiten-Presse der erste war, dem viele folgten bis zu seinem Tod 1996. Er überredete die Eremiten, auch seine Übertragungen persischer und arabischer Klassiker zu drucken. Diese Bücher von Chajjam, Hafis, Rumi, Al-Ma?arri, mit denen ein neuer Kundenkreis angesprochen wird, wurden zu beachtlichen Erfolgen.

Seit fünfzig Jahren besteht nun die Eremiten-Presse, eine erstaunliche Kontinuität für ein solch alternatives Unternehmen. Was hat sich in den letzten Jahren geändert? Eigentlich wenig, allerdings ist die Zusammenarbeit mit bildenden Künstlern enger geworden, die Bilder in den Büchern haben sich vermehrt, sind eigenständiger geworden und immer öfter gibt es Bücher, die ganz von den Künstlern bestimmt sind, in Wort und Bild von ihnen kreiert werden. So entstanden z.B. Künstler-Bücher von Bele Bachem, Winfred Gaul, Bernard Schultze, Ursula Schultze-Bluhm und Hildegard Pütz. Ganz selten enthalten die Bücher Reproduktionen, sondern meist Originalgraphiken, das gehört zur Tradition. Auch Harald Naegeli sprayte seine Offsetlithographien zu Gedichten von Iren Baumann direkt auf den Film.

Für viele Kleinverleger ist die Eremiten-Presse ein bewundertes Vorbild. Der Erfolg liegt aber eher im Ideellen, denn in einer finanziellen Erfolgsstory.

(Zitiert aus abooks)

Die großformatige, reich illustrierte (rund 190 teils farbige Abbildungen) Verlagschronik … macht umfassend und anschaulich mit der Geschichte eines Unternehmens bekannt, das in der deutschen Literaturlandschaft nicht seinesgleichen hat.
Hamburger Abendblatt

Die Eremiten-Presse stellte 2010 die Verlagstätigkeit ein. In Oberursel, wo sie lange ihre Heimat hatte, wird an sie erinnert.